Das Olympus 75mm f1.8 ist die Bokeh-Maschine für das Micro-Four-Thirds-System und zählt zu den schärfsten Linsen im MFT-Fuhrpark (zugleich allerdings auch zu den teuersten). Hier mein kleiner Erfahrungsbericht mit Infos und Tipps zum Objektiv und Antworten auf die Frage, ob und für wen sich die Anschaffung lohnt.
Verarbeitung und Performance
Das Olympus m.zuiko 75mm f1.8 ist hervorragend verarbeitet und fühlt sich dank der Metallkonstruktion sehr wertig an. Der Fokusring ist angenehm gedämpft und schleift nicht. Das 75mm besteht aus 10 Glaselementen in 9 Gruppen und verfügt über 9 Blendenlamellen, die für ein angenehm sanftes Bokeh sorgen sollen. Die minimale Fokusdistanz liegt bei 84cm, was das Oly nicht Makro-tauglich macht: die maximale Vergrößerung liegt gerade mal bei 0.1x.
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Das 75er ist auch in schwarz erhältlich, inzwischen sogar zum gleichen Straßenpreis. Ich habe die silberne Version zu einem sehr guten Kurs inklusive Streulichtblende und dem optionalen Objektivdeckel auf ebay ersteigert und der Kontrast zur schwarzen OM-D stört mich nicht. Eine Streulichtblende liefert Olympus leider nicht. Die muss als teures Extra namens LH-61F erstanden werden. Für happige 79,- EUR (UVP). Für den Preis erhält man dann allerdings auch ein sehr gut verarbeitetes Stück Zubehör.
Das 75mm f1.8 macht an meinen beiden OM-Ds (E-M5 und E-M10 – hier mein Vergleich) von der Balance her eine gute Figur. Solange die zusätzlichen Griffe angebracht sind. Sonst wird das Gespann leicht kopflastig (aber trotzdem noch gut zu halten). Immerhin bringt das 75er ohne Streulichtblende 305 Gramm auf die Waage und kommt auf eine Länge von knapp 7cm, die sich bei montierter Streulichtblende noch mal ein gutes Stück auf nicht ganz 11cm verlängert.
Der Autofokus arbeitet sehr leise und flott, wenn auch nicht ganz so schnell wie bei anderen MFT-Objektiven. Vielleicht liegt’s daran, dass der Motor mehr Glas bewegen muss. Der Fokus sitzt überwiegend treffsicher dort, wo man ihn haben will. Da die Fokusfelder insbesondere an der E-M5 recht groß sind, kann der Fokus auch mal daneben hauen. Deshalb hab ich bei Portraits gern die Gesichtserkennung aktiviert. Die stellt je nach Bedarf auf das linke, das rechte oder das nähere Auge scharf. Die Ausschussquote ist dabei extrem gering. Ein Riesenfeature, das bei den OM-Ds hervorragend funktioniert.
Das Dingen ist übrigens nicht wetterfest.
In der Praxis
Das 75er bringt durch den Verlängerungsfaktor effektiv 150mm in 35mm-Kleinbild-Sprech an die Kamera. Damit ist es dann auch schon ein waschechtes Tele, was sich auch direkt bemerkbar macht, wenn man das erste Mal durch den Sucher blickt und erstmal ein paar Schritte zurückmarschiert. Aber kann man den notwendigen Arbeitsabstand zum Motiv herstellen, spielt das 75er seine Stärken als sehr feines Portrait-Objektiv aus.
Das Freistellungspotential von Micro Four Thirds ist verglichen mit größeren Sensoren und insbesondere Vollformat natürlich deutlich geringer. Was aber nicht heißt, dass sich nicht angenehm weiches Bokeh erreichen lässt, wenn man schon einmal die richtige Brennweite und Lichtstärke an die Kamera bringt. Beides Attribute, die das 75er auf der Haben-Seite verbuchen kann. Und Abblenden muss auch nicht sein: bereits bei Offenblende liefert das Oly knackscharfe Resultate in der Bildmitte und gute Schärfe in den Randbereichen.
Ich bin kein Katzenfan, aber an diesem Beispiel lässt sich recht gut erkennen, dass bei dieser Brennweite und 1.8er-Blende trotz des kleineren MFT-Sensors zwischen einer scharfen Nasenspitze und einem unscharfen Auge schon nicht mehr so viel Luft ist. Eine rasiermesserdünne Schärfeebene á la Vollformat und f1.4 bringt nichts, wenn die Schärfe nicht dort liegt, wo sie hingehört. Bei Katzen funktioniert die Gesichtserkennung übrigens nicht..
Fazit
Ich verwende das 75mm hauptsächlich für People-Fotografie. Aber auch bei Reportagen oder Hochzeiten, wo man sich eher im Hintergrund halten und unbemerkt fotografieren möchte, ist man mit der Linse gut beraten. Der Preis ist allerdings eine Ansage und das Objektiv scheint recht wertstabil zu sein. Immerhin ist der Straßenpreis seit seiner Einführung nicht nennenswert gesunken. Ich habe das Objektiv mit Händlergarantie bei ebay zu einem sehr guten Gebrauchtkurs ersteigern können und den Kauf nicht bereut. Das 75mm ist eines meiner meistgenutzten MFT-Objektive. Lediglich in kleineren, geschlossenen Räumen, mit zu wenig Raum zum Ausweichen, kann einem die recht lange Brennweite einen Strich durch die Rechnung machen. In solchen Fällen bin ich froh, auf das m.zuiko 45mm 1.8 ausweichen zu können. Ansonsten ist das 75mm ein ganz hervorragendes Objektiv für Micro Four Thirds, das den Fotografen, der sich darauf einlässt und, der sich mit der etwas gewöhnungsbedürftigen Brennweite anfreunden kann, mit exzellenter Leistung belohnt.
Beispielfotos
Alle Fotos mit dem Olympus m.zuiko 75mm bei Blende 1.8. Für mich zählt die Bildbearbeitung zum digitalen Fotografieren dazu. Daher sind alle Fotos in Lightroom nachbearbeitet.